Schreibbüro zum blauen Federkiel

Literatur in Tateinheit mit Kunst

Poesie (Mucha)
 
 
Das Motto des blauen Federkiels ist eigentlich nichts Neues. Denn im Grunde ist Literatur eine Kunstform, was im schnellebigen Tagesgeschäft der Contenterstellung nur allzu gerne vergessen wird. Autoren oder "Texter", wie man sie heute gerne mal beiläufig nennt, sind Wortkünstler. Und die bedeutende Rolle, die ihnen im Informationszeitalter zukommt, wird einem oftmals erst so richtig bewusst, wenn man Kunst- und Literaturgeschichte etwas genauer betrachtet.  
 
 
Mit ihren Ursprüngen in der Steinzeit, wo der Mensch erstmals seinen Bezug zu Ausdruck und Gestaltung fand, spielte die Kunst seit jeher eine tragende Rolle in der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins. Dies lässt sich insbesondere an den Strömungen der Neuzeit beobachten, die im 15. Jahrhundert mit der Renaissance ihre Anfänge nahmen, und mit dem Aufkommen des Impressionismus, Expressionismus und Surrealismus gegen Ende des 19. Jahrhunderts die "Dreifaltigkeit" der modernen Kunst hervor brachten. Jedoch ging mit den Fortschritten im Bereich der kreativen Gestaltung auch ein literarischer Wandel einher.

Weil viele Internetseiten die Epochen der Kunst und Literatur aber gesondert von einander beschreiben, ist es für den Laien oft schwierig, beide Aspekte in Bezug auf die geistige Entwicklung des Menschen chronologisch miteinander zu verknüpfen. Dabei fällt eine entscheidende Botschaft der Kunst- und Literaturepochen meist völlig unter den Tisch: Die Bedeutung des Fortschritts der bildenden Künste für den Selbstfindungsprozess der Menschheit.


Kunst und Literatur als Triebfeder geistiger Entwicklung

Anfangs noch stark am Erbe der Antike orientiert, waren es zunächst Größen wie Leonardo da Vinci, Albrecht Dürer oder Donatello, die um 1450 dem im Mittelalter gereiften Potential geistigen Fortschritts Flügel verliehen. Mit neuen Erkenntnissen und Methoden in den Bereichen der Malerei, Architektur und Anatomie revolutionierten sie während der Renaissance nicht nur die Kunst sondern auch Wissenschaft und Technik und sorgten für eine regelrechte Explosion an neuen Impulsen. Aber auch in der Literatur taten sich schon früh Koryphäen wie Dante Alighieri oder William Shakespeare hervor, die das neue Zeitalter der Poesie und Lyrik durch ihre Werke maßgeblich beeinflussten. 

Angeregt von all jenen Impulsen, gleicht die nachfolgende Barockzeit einer unausweichlichen Freisetzung kreativer Energien, welche sich ab 1575 zum einen in einer Reihe von Oden, Gesängen und Gedichten, zum anderen in prunkvoller Architektur, Skulpturen und Ornamenten entluden. Der Architekt Filippo Juvarra spielte hier eine bedeutende Rolle, denn unter seiner Bauleitung verbreitete sich der neue Stil in ganz Italien, von wo aus er Künstler in ganz Europa inspirierte. Gemäßigter wurde es schließlich zu Zeiten des Spätbarock, wo sich der Rokkoko als eine abgeschwächte Form des Barockstils entwickelte.

Der Tanz (Mucha)
Das junge Kunst- und Literaturpotential des Barock erfuhr ab 1720 in Form der Aufklärung weitere Ausprägung. Zuvor entdeckte Sinnlichkeit im Bereich der bildenden Künste steigerte sich zu offen geäußerter Kritik an der bestehenden Unmündigkeit des Einzelnen gegenüber monarchischen und kirchlichen Institutionen. 

Die Literatur etablierte sich als neue Orientierungshilfe der Vernunft und versuchte, dem Volk durch Wissensvermittlung Hilfestellung bei der intellektuellen Emanzipation zu leisten. Treibende Kräfte jener Zeit waren Immanuel Kant, Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe, die bis heute drei der bedeutendsten Größen der Weltliteratur darstellen. 

Musikalische Neuerungen bescherte damals vor allem ein junges Ausnahmetalent namens Mozart, welcher mit seiner, für damalige Begriffe, äußerst rebellischen Akustik den Zeitgeist der Epoche am besten wiederspiegelte. 

Literarisch stark auf die Beantwortung ungeklärter, philosophischer Fragen konzentriert, finden sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts aber kaum weitere Ansätze für einen eigenen Kunst- oder Musikstil. Vielmehr folgten musikalische und gestalterische Ausdrucksformen hier dem literarischen Vorbild, durch die Suche nach geistiger Erleuchtung die  Ideale des Barock zu perfektionieren. 

Um 1770 mehrte sich schließlich die Kritik am aufklärerischen Umgang mit dem Potential der Barockzeit. Zu belehrend, zu einegend waren die Impulse der Aufklärungsliteratur, welche versuchte, den bis dahin literarisch und künstlerisch ungebildeten Bürger nach eigenen Vorstellungen zu erziehen. Forderungen nach erneuter Hinwendung zu antiken Standards, mehr Gefühl und mehr Entfaltungsfreiheit inmitten all der gepredigten Vernunft wurden laut und Sturm und Drang, sowie Klassizismus kristallisierten sich als Nachfolger der Aufklärung heraus. 

Insbesondere Vertreter der Architektur waren nun bemüht, die antiken Grenzen zwischen den einzelnen Kunstgattungen wieder klarer zu definieren und das Konzept des griechischen Tempelbaus erneut als Vorbild klassizistischer Baukunst zu etablieren. Paul Wilhelm Eduard Sprenger verfolgte dieses Ziel derart ehrgeizig, dass ihm in seinen allzu statischen Bauten oft die Erschaffung eines Bürokratenstils vorgeworfen wurde. Individualität im Bereich der Literatur wurde während dieser Zeit vom Ciceronianismus nahezu gänzlich unterdrückt.  Paradox, denn eigentlich zielten gerade die Intensionen der Sturm-und-Drang-Zeit darauf ab, die individuelle Entfaltung des Geistes zu fördern.

Erst ab 1790 und dank der Epoche der Romantik gelang es, wieder mehr Individualität in Kunst und Literatur einfließen zu lassen. Die Sehnsucht nach individueller Ausdrucksweise in Bildern und Gemälden, sowie eine lyrische Neuprägung, durch Stilikonen, wie Edgar Allan Poe, waren schließlich die Antwort auf das ungewollt "strenge Kunstregime" der Klassik und der Begriff des Erlebens rückte immer mehr in den Fokus. In Sachen Kunst gilt hierzulande Caspar David Friederich als wichtigster Vertreter jener Zeit, deren Gesamtheit an Werken in Ausdruck und Gestaltung eine intensivere Auseinandersetzung mit dem menschlichen Seeleben erreichte.

Die Musik (Mucha)
Der Übergang von der Romantik hin zum Naturalismus war in Deutschland gekennzeichnet von der Biedermeierzeit, welche ab 1815 den deutschsprachigen Raum erfasste. In ihren Bemühungen, die neuen Strömungen der Kunst und Literatur zu unterdrücken, ähnelte die Epoche stark dem Klassizismus. 

Ein von Politik und Kirche propagierter Rückzug ins Private griff zwar die romantischen Intentionen auf, nutzte selbe aber entgegen ihrer urtümlichen Bedeutung zur Wiederherstellung streng geordneter Gesellschaftsstrukturen, die während der Romantik zumindest in Ansätzen sanfteren Einflüssen gewichen war. 

Auffallend ist hier der von außen gesetzte Fokus auf den weiblichen Wirkungskreis im häuslichen und familären Bereich, sowie der Versuch, klassische Tätigkeitsbereiche der Frauen, wie Erziehung oder Mode, durch männlich dominierte Vorgaben zu strukturieren. Die beschriebenen Impluse der Biedermeierzeit lieferten somit herbes Konfliktpotential, das sich bspw. in der Märzrevolution von 1885 äußerte. 

Die Wünsche des bürgerlichen Lagers nach mehr Demokratie und Unabhängigkeit legten in Folge den Grundstein für die Epoche des Realismus, in der sich Künstler wie Poeten der objektiven Betrachtungsweise aller Dinge verschrieben. Auch die Analyse des Seelenlebens war von dieser Objektivität betroffen, wodurch romantischen und barocken Denkansätzen in Kunst und Literatur wieder mehr Bedeutung zu kam, 
diesmal aber auf einer sachlicheren Ebene.

Die Malerei (Mucha)
Ab 1850 formte sich schließlich der Naturalismus als eine Art Fazit aus den objektiven Analysen des Realismus. Die Kritik an gesellschaftlichen Normen mehrte sich und die teils negativen Konsequenzen wirtschaftlichen Fortschritts rückten erstmals dauerhaft ins Zentrum künstlerischer und philosophischer Thematiken. 

Wahrheit und Wahrnehmung gesellschaftlicher Realität, wie auch der Verlust natürlicher Umgebung zugunsten städtischer Industrie, veranlassten eine intensive Auseinandersetzung des Menschen mit seinem Lebensraum. 

Als eine logische Schlussfolgerung erscheint es da, dass sowohl Impressionismus als auch Expressionismus unmittelbar auf den Naturalismus folgen, und letztendlich im Surrealismus gipfelten, der ab 1900 im fließenden Übergang an seine beiden Vorreiter anknüpft. 

Künstlergruppen wie der "Blaue Reiter" und Koryphäen wie Claude Monet, Vincent van Gogh, Mucha und Salvador Dalí standen fortan Pate für die Perfektion jenes Standards von Kunst, Architektur, Grafik, Fotografie und Film, den wir heute genießen dürfen.



...Und die Moral von der Geschicht?

Im Nachhinein ließe sich wohl behaupten, dass der Versuch, das Potential der Barockzeit aufzuhalten, missglückt ist. Denn was wir heute erleben, sind die unterdrückten Impulse jener Epoche, die zu Ende des 16. Jahrhunderts auf den Wunsch von Literaten und Künstlern verkörperte, in eine neue, gestalterische Zukunft aufzubrechen, die zwar vom antiken Erbe genährt wird, sich gleichzeitig aber davon loslöst, um neue Wege der Kreativität zu beschreiten. Die Geschichte von Kunst und Literatur ist also nicht nur eine bloße Abfolge von Epochen, sondern spiegelt auch den geistigen Reifeprozess der Menschheit wieder, dessen Triebfeder der Wunsch nach Veränderung und Erforschung des eigenen Bewusstseins ist.


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Epochenübersicht: